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Das Auge des Zeichners. Kunst und Wahrnehmung um 1600

[Abgeschlossen]
Das Projekt untersucht die epistemische Funktion der Zeichnung im frühen 17. Jahrhundert in Italien und den Zusammenhang zwischen Wahrnehmung und Kunst anhand eines umfangreichen Bestandes von Handzeichnungen, die nicht primär dem Entwurfsprozess unterworfen waren. Vielmehr erweisen sie sich als Sehübungen vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Kunsttheorie, deren Höhepunkt mit Federico Zuccaris Disegno-Konzeption erreicht war. Der römische Künstler und Theoretiker hatte erstmals 1607 in voller Konsequenz die Zeichnung zum übergeordneten Prinzip universalen Weltverstehens erhoben. Wenige Jahrzehnte zuvor wurde ihre mediale Rolle in der empirischen Beobachtung und präzisen Wiedergabe der Wirklichkeit durch den Bologneser Naturforscher Ulisse Aldrovandi und den Bologneser Kardinal und Kunsttheoretiker Gabriele Paleotti festgeschrieben. Parallel dazu grenzt sich ab dem frühen 17. Jahrhundert mit zunehmender Mechanisierung des Weltbildes und den bahnbrechenden naturwissenschaftlichen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Optik die Bedeutung des Auges gegenüber den anderen Sinnen ab und beginnt eine eigene Erfolgsgeschichte zu schreiben.

Das Projekt fragt nach den kulturgeschichtlichen Voraussetzungen für diese Entwicklung und nimmt dabei die Gattung der Zeichnung in den Blick. Es verknüpft die drei Bereiche des Connoisseurships, der Phänomenologie der Zeichnung als materielles Konstrukt und der Zeichnung als Träger von Evidenz epistemischer Visualisierungen miteinander und macht sie für die ästhetische Auseinandersetzung im frühen 17. Jahrhundert fruchtbar. Der wichtigste Aspekt meiner Arbeit gilt dabei der Frage nach der Interaktion von Wahrnehmung, visueller Imagination und produktiver Umsetzung. Wenn Wahrnehmung als eine Bewusstseinsweise beschrieben wurde, die auf den sinnlichen Kontakt mit Bildformen angewiesen ist und sich in der Zeichnung als kognitive Konstruktion materialisiert, so öffnet sich hier ein Fragenkreis, der in das Zentrum der zeichnerischen Produktion im 17. Jahrhundert führt und gleichzeitig wesentliche Gesichtspunkte der aktuellen Kunstgeschichtsforschung an der Schnittstelle zur Bildwissenschaft betrifft. Das Projekt versteht sich als eine Kulturgeschichte der Zeichnung im 17. Jahrhundert in Italien und hat zum Ziel, an die aktuellen Forschungsfragen zur modernen Zeichnung anzuschließen. Es schließt somit eine wesentliche Lücke in der Kunstgeschichtsforschung und beantwortet die gerade in heutiger Zeit relevanten Fragen nach dem Status visueller Kreativität und bildlicher Konzeption. Die Vorgehensweise ist dabei an historischen Quellen orientiert. Ziel ist es, die grundlegende Bedeutung der Gattung Zeichnung zur Generierung von Wissen und Erkenntnis im frühen 17. Jahrhundert in Italien aufzuzeigen und die kulturhistorischen Interferenzen, die das Zeichnen mit zeitgenössischen ästhetischen, philosophischen und graphologischen Diskursen aufweist, sichtbar zu machen.

Kontakt

Dr. Claudia Steinhardt-Hirsch

Team