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Henning Engelke // Kunstmedien/Massenmedien: Zu Konzepten der Abstraktion in der US-amerikanischen Filmavantgarde der 1930er und 1940er Jahre

Projektbeschreibung

Filmische Avantgarden definieren sich im Verhältnis zu zwei zentralen Feldern der Bildproduktion des 20. Jahrhunderts: als Abgrenzungsbewegung zum Erzählkino und in Analogie zu den Avantgarde-Bewegungen der bildenden Kunst.
Die Definition als Gegenbewegung zu den ästhetischen und ökonomischen Normen des narrativen Kinos, wie es von Hollywood geprägt wurde, impliziert zugleich die historische Grenze des Bereichs. So hebt Kristin Thompson hervor, daß erst nach der um 1917 erfolgten Etablierung eines institutional mode of representation von filmischen Avantgarden gesprochen werden kann. Jan Christopher Horak hält dieser Auffassung eine umfassendere Definition entgegen, die auch Teile des frühen Films einschließt. Allerdings kann auch Horak die vielfältigen Ausdrucksformen des frühen Kinos nur in einer retrospektiven Kontrastierung mit den Konventionen des Hollywood-Kinos als Avantgarde-Praktiken bestimmen.
Horaks Definition ist jedoch insofern von Bedeutung, als sie die Vereinnahmung des frühen Kinos durch die Avantgarden widerspiegelt. Diese Vereinnahmung setzte bereits in den 1910er Jahren ein, etwa gleichzeitig mit der Etablierung des continuity system. Dabei wurden formale Eigenschaften des frühen Kinos herausgestellt: dezentrierte Komposition, diskontinuierliche Montage, offene narrative Formen und die Selbstbezüglichkeit der filmischen Darstellung, welche die Zuschaueridentifikation blockiert.
Zunächst waren es vor allem künstlerische Bewegungen wie der Futurismus, die im Film eine konsequente Fortführung der von ihnen angestrebten Überwindung überkommener Bildtraditionen sahen. Zugleich kritisierten die italienischen Futuristen (Marinetti, Balla, Corra u.a.) in ihrem „Kino-Manifest“ von 1916 die zunehmende Anlehnung des Films an das Theater und die Literatur. Sie forderten diesbezüglich, der Film müsse sich stärker an Entwicklungen der bildenden Künste anlehnen. Wie diese müsse der Film einen repräsentationalen Gehalt verweigern, um seine Möglichkeiten als visuelle Kunst auszuschöpfen.
Der Rückgriff auf die Malerei der Moderne wurde in den späten 1910er und 1920er Jahren tatsächlich für den europäischen Avantgarde-Film bedeutsam. Die Opposition zum Erzählkino legitimierte sich in den abstrakten Filmen von Walter Ruttmann, Hans Richter, Vikking Eggeling oder Oskar Fischinger über die Auseinandersetzung mit Formproblemen abstrakter Malerei: Farb- und Formbeziehungen und Wiederholungsstrukturen in sequentieller Reihung. Damit schlossen sie an das im 20. Jahrhundert exklusiv von den Avantgarden besetzte Feld der Hochkunst an, und sie nahmen scheinbar an Entwicklungen teil, die in der bildenden Kunst eingeleitet wurden.
Diese Zuordnung ist in zweierlei Hinsicht fragwürdig: Zum einen erfahren die formalen Probleme der Malerei bei der Übertragung auf das Medium des Films einen grundlegenden Wandel. Die Sequentialität, die von den Wiederholungsstrukturen abstrakter Malerei evoziert wird, ist in der Sequentialität des Films bereits von vorneherein angelegt. P. Adams Sitney hat dies im Hinblick auf die Farbrelationen im abstrakten Film präzise mit dem Begriff der Redundanz beschrieben. Zum anderen geht der kommerzielle, narrative Film, von dem sich diese frühe Film-Avantgarde im Verweis auf abstrakte Malerei abgrenzt, selbst auf einen Bruch mit traditionellen Bildformen zurück. Dieser Bruch äußert sich in einer Neudefinition der Verhältnisse von Repräsentationsraum, Narration, zeitlicher Sequenzierung und hierarchischer Ordnung. Mit dem Bezug auf den dominierenden Modus des Hollywood-Films sind die Abgrenzungstrategien der filmischen Avantgarden daher anders zu bestimmen als die Strategien der Avantgarden in den bildenden Künsten.
Das Forschungsprojekt geht den intensiven Wechselbeziehungen zwischen Hollywood und avantgardistischer Filmpraxis nach, wie sie sich in Formen der Abstraktion im US-amerikanischen Film der 1930er und 1940er Jahre zeigen. In den Arbeiten von Filmemachern wie Mary Ellen Bute, Douglass Crockwell oder Harry Smith ist eine Abkehr von Formproblemen europäischen Avantgarde-Traditionen und zugleich eine stärkere Auseinandersetzung mit historisch etablierten Formen des Erzählkinos zu beobachten. Eine zentrale Frage des Projekts zielt auf die Funktionen abstrakter oder abstrahierender Gestaltungsformen im Kontext einzelner Filme, aber auch im Hinblick auf den Zusammenhang von Film-Genres wie dem Musical.

Kontakt

Prof. Dr. Iris Lauterbach

Team