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Miriam Bothe // "Una Scultura antica bellissima di marmo" - Paolo Veroneses Antikenrezeption am Beispiel des "Laokoon"

Projektbeschreibung

Die Wiederauffindung der berühmtesten antiken Statue in Rom 1506 hatte eine unmittelbar einsetzende und Jahrhunderte andauernde Auseinandersetzung von Künstlern in ganz Europa mit ihr ausgelöst. Auch den Venezianer Paolo Veronese schlug sie Zeit seines Lebens so intensiv wie kein anderes Vorbild in Bann. Dass dieser sich der Skulptur bediente, hatte zwar schon 1648 Carlo Ridolfi als erster erkannt, doch wurde jener Aspekt im Laufe der Veronese-Forschung bis heute nie wirklich und umfassend analysiert. Veronese verwandte den „Laokoon“ im Rahmen der imitatio artis sowohl als formales Motiv für seine Bildkompositionen als auch als vielseitigen inhaltlichen Bedeutungsträger, der je nach Situation deutlich kenntlich gemacht oder dissimulierend eingesetzt werden konnte. Dabei erwies das gelehrte Zitat den Maler selbst als pictor doctus im kunsttheoretischen Diskurs der Zeit.

Die Untersuchung der Laokoonrezeptionen Veroneses vollzieht sich in chronologischen Etappen und anhand von Gemälden, welche diesbezüglich besondere Markpunkte im Verlauf seines Schaffens darstellen: Ausgehend von einer ersten Phase vor 1553/55 in Verona, während der er vorerst nur Kenntnisse über den „Laokoon“ erwarb, ohne ihn selbst zu rezipieren, fertigte er innerhalb einer zweiten Phase um 1552/53 in Mantua mit der „Versuchung des Heiligen Antonius“ das erste, aber bereits hochqualitative Zitat des „Laokoon“ an. Das Ende einer dritten Phase in Venedig zwischen 1553/55 und 1560 markiert die Romreise in jenem Jahr, wo ihm endlich die unmittelbare Anschauung des originalen „Laokoon“ im Statuenhof des Belvedere möglich war. Daran schließt die letzte Phase der Laokoonrezeptionen Veroneses in Venedig von 1560 bis 1587 an, welche mit dem letzten Aufgreifen des Vorbildes im Jahr vor seinem Tod kulminiert.

Betrachtet werden ebenfalls die weiteren Vorbilder Veroneses für seine jeweiligen Umsetzungen des „Laokoon“, denn er orientierte sich keineswegs ausschließlich am Original – wobei noch zwischen Zitaten der Vaterfigur und der Söhne zu unterscheiden ist –, sondern bezog lebenslang Rezeptionen des „Laokoon“ anderer Künstler wie Michelangelos, Raffaels und Tizians in den eigenen kreativen Schaffensprozess mit ein. Doch statt einer Konkurrenz in Bezug auf originelle „Laokoon“-Lösungen herrschte speziell im venezianischen Mikroklima vielmehr eine fruchtbare Zusammenarbeit von Künstlern unterschiedlicher Professionen – Malerei, Grafik, Skulptur –, welche durch bedeutende Sammlerpersönlichkeiten wie Domenico und Giovanni Grimani bereichert wurde. Dies schlug sich in vielen wechselseitigen Beeinflussungen nieder und läßt sich durch die Werkstattpraxis belegen. Von großem Interesse sind des Weiteren die komplexen Methoden, derer sich Veronese in immer neuer, variierender Form bediente. So wird neben der aemulatio, der dissimulatio und der superatio gerade die Verwendung der Ironie analysiert, die bisher in der Veronese-Forschung überhaupt noch nicht zur Kenntnis genommen worden war.

Ziel der Arbeit ist es, im Rahmen einer grundlegenden Studie einen wesentlichen Aspekt der imitatio artis im Rahmen der allgemeinen Kunsttheorie, Paolo Veroneses als intellektueller Künstlerpersönlichkeit und der umfassenden Rezeptionsgeschichte des „Laokoon“ zu erhellen.

Team