Call for Papers // Trans-Italia – Italienforschung im europäischen Maßstab
Die geographische und kulturelle Einheit der Apenninhalbinsel, spätestens seit dem 1. Jahrhundert v.Chr. als „Italien“ bezeichnet (vgl. Strabon, Geographie, V.1), wurde im 19. Jahrhundert zum paradigmatischen Gegenstandsbereich des universitären Faches Kunstgeschichte (vgl. z.B. Jacob Burckhardts „Die Cultur der Renaissance in Italien“ und seine „Beiträge zur Kunstgeschichte von Italien“). Dies führte bekanntlich zur Herausbildung eines Kanons, durch den die italienische Kunst der Frühen Neuzeit, insbesondere jene der Zentren Rom und Florenz, in geringerem Maße auch Venedig und Mailand, zum Maßstab wurde. Die Kunstgeschichte hat sich in den letzten Jahrzehnten darum bemüht, diese Kanonbildung kritsch zu hinterfragen und zu korrigieren.
Sowohl die universitäre Lehre und Forschung als auch die beiden Max-Planck-Institute für Kunstgeschichte in Italien haben eine enorme Ausweitung ihres Gegenstandsbereichs vorgenommen, der mediterrane, gesamteuropäische und auch globale Perspektiven berücksichtigt. Das hat die Italienforschung allerdings nur bedingt befördert; die Forschungsdatenbank ARTtheses (https://www.artheses.net), die die Themen der angemeldeten Abschluss- und Doktorarbeiten im Fach Kunstgeschichte dokumentiert, zeigt, dass die Zahl der Studentinnen und Studenten, die sich mit Italien beschäftigen, stetig zurückgeht. Auch der Titel des letzten Treffens des Netzwerks Italienforschung in Bonn (16./17.11.2023), der nach dem
„(Un)Sinn der Italienforschung“ fragte, zeugt von den Herausforderungen, mit denen sich die Forschung zur Kunst Italiens konfrontiert sieht. Für das nächste Forum Kunstgeschichte Italiens möchten wir eine Sektion vorschlagen, die sich diesen Herausforderungen stellt, indem sie „Italien!“ (wieder) in den Fokus rückt, sich aber nicht auf das heutige nationale Territorium beschränkt, sondern auch das berücksichtigt, was in der Vormoderne zu „Italien“ gehörte. Thema sind insbesondere Wechselwirkungen mit Herrschaftsgebieten und -apparaten, die politisch und kulturell mit Italien verbunden oder Teile Italiens beinhalteten. Dazu zählen z.B. das byzantinische Reich, das sich schon im 6. Jahrhundert große Teile des weströmischen Reiches aneignete, aber auch die Auswirkungen der Expansionsbestrebungen der arabischen Muslime in Sizilien und Süditalien seit dem 7. Jahrhundert. Zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert vereinigte das Königshaus Aragon Teile der iberischen und der italienischen Halbinsel unter einer Krone, die im 16. Jahrhundert im spanischen Habsburgerreich aufging; das nach dem Wiener Kongress gebildete Königreich Lombardo-Venetien der österreichischen Habsburger bestand bis zur Gründung des Königreichs Italiens (1861). Italien und seine Kunsterzeugnisse sind bereits aufgrund ihrer Geschichte transkulturell geprägt und nicht
ohne einen Blick auf den europäisch-mediterranen Kontext in ihrer Vielschichtigkeit zu durchdringen. In unseren Nachbardisziplinen aus den Geschichtswissenschaften ist man sich dieser Gegebenheiten meist stärker bewusst als in der Kunstgeschichte. Das geplante Vortragspanel soll Beiträge versammeln, deren Forschungsfeld Italien beinhaltet, deren Gegenstand aber eine Eingrenzung auf die italienische Halbinsel transzendiert, sei es in geographischer, kultureller oder politischer Hinsicht. Der spezifische Zuschnitt des Untersuchungsfeldes und die Wahl des jeweiligen Vergleichsmaßstabs bestimmen in hohem Maße das Ergebnis und erfordern daher eine gründliche Methodenreflexion.
Wir bitten um Vorschläge für Vorträge von 20 Minuten (abstracts von 300-500 Wörtern und kurzer Lebenslauf, einzureichen bis zum 14. September 2024 an anna.magnagolampugnani@biblhertz.it und adrian.bremenkamp@biblhertz.it ). Doktorandinnen und Doktoranden sind ausdrücklich eingeladen, sich zu bewerben.