Ausstellung: Im Brennpunkt der Moderne
Eine Ausstellung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München
Meiserstraße 10
2. Oktober - 29. November 1998 (verlängert bis zum 30. 12. 1998)
Täglich 10 bis 18 Uhr, Dienstag und Donnerstag bis 20 Uhr
Das Haus Tugendhat in Brünn von Ludwig Mies van der Rohe zählt zu den Schlüsselwerken der Architektur des 20. Jahrhunderts. Erbaut zwischen 1928 und 1930 für das jüdische Textilunternehmerehepaar Grete und Fritz Tugendhat, wurde es zum Auslöser einer vehement geführten Diskussion um die Zielsetzungen der Moderne. Trotz einiger schwerwiegender Eingriffe hat das Haus die Zeitläufte im Kern weitgehend unbeschadet überstanden. Dagegen wurden sämtliche noch im Haus befindlichen Möbel während der deutschen Okkupationszeit veräußert und galten seitdem bis auf wenige Exemplare, die sich heute im Mährischen Museum in Brünn befinden, als verloren.
Die Quellenlage darf dagegen als außergewöhnlich gut bezeichnet werden: Im Nachlaß Mies van der Rohes im New Yorker Museum of Modern Art haben sich um die 450 Originalzeichnungen erhalten, einschließlich der Entwürfe zu fast sämtlichen Einrichtungsgegenständen des Hauses. Anfang vergangenen Jahres kamen in Brünn weitere 300 Konstruktionspläne zum Vorschein, wobei es sich wohl um die Unterlagen der ausführenden Baufirma handeln dürfte (heute im Besitz des Städtischen Museums). Die Kunstbibliothek Berlin konnte in den 70er Jahren ein Skizzenbuch von Sergius Ruegenberg erwerben, der seinerzeit als Bauzeichner bei Mies van der Rohe beschäftigt war. Es enthält unter anderem über 40 zumeist perspektivische Darstellungen zum Brünner Projekt. Erhalten sind ferner die Originalabzüge von den zu Publikationszwecken angefertigten Aufnahmen des Brünner Ateliers de Sandalo, die das Haus unmittelbar nach der Fertigstellung im Dezember 1930 zeigen. In reizvollem Kontrast dazu stehen die von Fritz Tugendhat selbst angefertigten Photographien aus den mittleren und späteren 30er Jahren. Sie geben nicht nur Einblick in das tägliche Leben der Bewohner, sondern belegen auch - mit den berankten Außenmauern und Terrassenaufbauten - die enge Symbiose von Architektur und Natur, wie sie von Mies in Zusammenarbeit mit der Gartenarchitektin Grete Roder angestrebt worden war.
Die überraschendste Entdeckung bestand jedoch darin, daß wichtige Teile der ursprünglichen Einrichtung über die Zeit der Emigration hinweg gerettet werden konnten und sich nach wie vor im Besitz der Familie befinden. Hierbei handelt es sich durchweg um Unikate, die, im Gegensatz zu den ebenfalls für Brünn entworfenen Stahlstühlen und -sesseln, niemals in Serienproduktion gegangen sind.
Diese Originalmöbel, die hier erstmals öffentlich zu sehen sein werden, bilden den Kern der Ausstellung. Sie werden ergänzt durch den Prototyp und ein Originalexemplar des Barcelona Sessels aus dem deutschen Pavillon von 1929, deren Wiederentdeckung angesichts ihrer Bedeutung für das Möbeldesign des 20. Jahrhunderts als eine kleine Sensation bezeichnet werden darf. Gezeigt werden ferner einzelne Originalzeichnungen sowie Digitalreproduktionen nach alten Photos und neuere Farbaufnahmen des heutigen Zustands. Ein detailgenaues Modell im Maßstab 1:50 dient zur Verdeutlichung der räumlichen Gesamtdisposition.
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