Call for Applications // Monumentum/monimentum
Die XXIII École de Printemps (EdP) wird vom 12. bis 17. Mai 2025 im Palazzone di Cortona (einer der ausgelagerten Standorte der Scuola Normale Superiore) in Italien stattfinden. Doktorandinnen, Doktoranden und Post-Docs können einen Beitrag zum Thema Monumentum/monimentum vorschlagen. Die EdP ist eine Forschungsund Hochschulinitiative im Bereich der Kunstgeschichte, die von RIFHA (Réseau international de formation à la recherche en histoire de l’art) organisiert wird, einem internationalen Netzwerk, das Universitäten und Forschungseinrichtungen aus acht Ländern (Kanada, Frankreich, Deutschland, Japan, Italien, Spanien, USA und Schweiz) zusammenschliesst. Eine Woche lang werden fünfzig Professorinnen und Professoren, Postdocs und Doktorierende über öffentliche Denkmäler von der Antike bis zur Gegenwart nachdenken: das Thema des öffentlichen Denkmals wird im Lichte seiner Geschichte, seiner memorialen, huldigenden, ideologischen und normativen Funktion sowie seiner Funktion als Wächter des öffentlichen Raums untersucht. All diese Funktionen sind in der jüngsten Debatte erneut in den Vordergrund gerückt.
Das Thema
Der Begriff „öffentliches Monument“ bezieht sich auf ein (nicht zwingend skulpturales) Denkmal, das an einem Ort errichtet wurde, der für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich und nutzbar ist. Es befindet sich typischerweise auf einem Platz, aber auch an anderen besonders sichtbaren Orten des städtischen Raumes oder in der Landschaft. Das lateinische Wort monumentum leitet sich vom Verb monēre ab, das die Bedeutungen erinnern, ermahnen und auffordern in sich vereint. Ein Denkmal hat die primäre Funktion, denjenigen, die an einem Ort leben oder diesen durchqueren, die Tugenden oder die Macht der dargestellten Person oder Personen in Erinnerung zu rufen; oder die Werte, die durch die dargestellten Symbole und Allegorien vermittelt werden. Nicht weniger wichtig ist im öffentlichen Denkmal die Funktion, den Betrachter einzuladen, sich mit diesen Werten auseinanderzusetzen, und ihn aufzufordern, diese Werte in seinem täglichen Handeln fortzuführen. Studien haben in der Entwicklung von einer überwiegend memorialen Funktion (das Grabdenkmal) zu einer überwiegend mahnenden Funktion (das Ehrenmal) eine erkennbare Entwicklungslinie des modernen Denkmals identifiziert: zeitgenössische Proteste gegen einige historische Denkmäler haben sich auf ihre implizit ideologische Botschaft innerhalb der sozio-politischen Machtstrukturen konzentriert.
Im späten 20. Jahrhundert wurde das öffentliche Denkmal oft als übertrieben und unangebracht angesehen und als solches nicht ernst genommen. Diese Tendenz war bereits bei den Avantgarden weit verbreitet: das Projekt für das Denkmal der Dritten Internationale von Wladimir Tatlin, keine Skulptur, sondern eine funktionale architektonische Konstruktion, wurde von Wladimir Majakowski als “das erste bartlose Denkmal” gefeiert. Vor allem die Krise und die Erneuerung der Werte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs führten dazu, dass die statuarische Feier als rhetorisch und moralisch unangemessen angesehen wurde: Nach dem Krieg verbreiteten sich die Konzepte des „Antimonuments“, „Gegenmonuments“, der „nicht-monumentalen Skulptur“ und des „Nichtmonuments“ als polemische Antworten auf die oft moralisierenden oder propagandistischen Tendenzen des traditionellen Denkmals. Die Unthematisierbarkeit einiger der tiefsten historischen Tragödien des 20. Jahrhunderts, beginnend mit der Shoah, ermutigte die Künstler zudem, sich mit respektvolleren, bürgerlichen und mobilisierenden Formen der Erinnerung auseinanderzusetzen, oft unter Rückgriff auf eine antirhetorische Monumentalität.
Heute sind immer weniger Menschen, die ein Denkmal betrachten oder daran vorbeigehen, fähig, die dargestellten Personen oder Symbole zu erkennen. Noch weniger sind bereit, sich von den Werten, die diese Personen oder Symbole repräsentieren, belehren zu lassen, da diese Werte meist als fern und veraltet angesehen werden. Die visuelle Sprache der meisten öffentlichen Denkmäler wirkt aufgrund ihres vorwiegend akademischen und traditionellen Charakters unzeitgemäß. Das Denkmal hat somit seine spezifische Funktion verloren: auf den öffentlichen Plätzen ist es oft zu einem Verkehrshindernis oder zu einem Ort geworden, an dem Bürger Gespräche führen oder Touristen auf den Stufen seines Sockels ausruhen.
Diese lange Gleichgültigkeit und der wesentliche Bedeutungsverlust sind jedoch in jüngster Zeit einem unerwarteten neuen Interesse für öffentliche Denkmäler gewichen. Aufgrund ihrer zentralen Lage werden sie als Bühne für Protest- oder Jubelveranstaltungen oder zur Feier epochaler politischer Veränderungen genutzt. Der Abriss öffentlicher Statuen vergangener Regime wird noch heute als revolutionärer Wendepunkt verstanden und nimmt spontan ikonoklastische Züge gegen diese Personifizierungen und Verkörperungen der despotischen Macht an oder als dissonant empfundene Werte auf.
Dieser Wandel beruht auf mindestens zwei Gründen. Der erste ist, dass die für die Öffentlichkeit bestimmte, in öffentlichen Räumen aufgestellte Kunst zu einem Hauptthema der Arbeit zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler und zu einem ständigen Thema der Kunstkritik geworden ist, die sich zunehmend für community-spezifische Praktiken interessiert.
Das Denkmal gibt dem Raum, in dem es aufgestellt ist, neue Bedeutung: ein Aspekt, der in verschiedenen historischen Perioden von Auftraggebern und Künstlern immer wahrgenommen wurde. Heute entspricht diese Funktion jedoch einer neuen politischen und sozialen Rolle: das Denkmal wird oft dazu auserwählt, heruntergekommene städtische Gebiete aufzuwerten, um einen realen und symbolischen Ort der Gemeinschaftsbildung zu schaffen.
Der zweite Grund ist vielleicht noch wichtiger als der erste. In der tiefgreifenden Revision historischer und kultureller Werte der Vergangenheit sind Denkmäler wieder zu einem Gegenstand auch hitziger Diskussionen geworden, denn die dargestellten Persönlichkeiten, die vermittelten Ideen und die von den Künstlern verwendete visuelle Sprache beziehen sich oft auf Werteschemata (Ideologien antidemokratischer Macht, des Kolonialismus, der sozialen Ungerechtigkeit, der binären oder stereotypen Geschlechterkonstruktion), denen sich viele zeitgenössischen Gesellschaften fundamental entgegensetzen.
Bewerbung:
Die ausführliche Ausschreibung mit Informationen zum Bewerbungsverfahren [dt/en/fr/it/sp] finden Sie unter: https://www.proartibus.org/ecoles-de-printemps.
Ende der Bewerbungsfrist: 09. Februar 2025
[Abbildung: New York, Federal Plaza with Richard’s Serra Tilted Arc, 1981 (dismantled in 1989), Corten steel]