Current Research. Lektüreseminar am ZI mit Damian Dombrowski
Termindetails
Wann
von 14:00 bis 16:00
Wo
Tiepolos Weltmodell | Diversität und Respekt im Treppenhausfresko der Würzburger Residenz
1752/53 schuf Giambattista Tiepolo in Würzburg das größte zusammenhängende Gemälde, das je gemalt wurde. Es wird gesäumt von halballegorischen Friesen der vier damals bekannten Kontinente. Ob sich mit Tiepolos Weltdarstellung eine bestimmte Weltdeutung verbindet, ist in der kunsthistorischen Forschung nur selten thematisiert worden. Wenn von einer möglichen Gesamtaussage des Freskos die Rede war, so wurde in ihm die bildliche Erörterung einer schrittweisen Ausbreitung menschlicher Kultur gesehen oder eine diskursive Verschränkung von Kunst und Macht vermutet. Demgegenüber fragt das zu diskutierende Buchprojekt danach, ob die Welthaltigkeit dieses Werks nicht auch zu einem grundsätzlichen Nachdenken über das globale Gefüge anregen kann, und zwar in einem durchaus ‚aktuellen‘ Sinne.
Im Gegensatz zu jüngst angestrengten Versuchen, das Würzburger Fresko für eine Kristallisation von Eurozentrismus und Rassismus zu halten, wird es hier zum einen als Plädoyer für ethnische und kulturelle Vielfalt interpretiert, zum anderen als manifeste, ja radikale Abkehr von einer eurozentrischen Perspektive. Da Tiepolo bestimmte zivilisatorische Grundphänomene auf die vier Kontinente verteilt, wurde stets davon ausgegangen, dass diese Kulturleistungen konsekutiv gemeint seien, als Aufstieg vom primitiven Anfang in Amerika zum kunstgesättigten Gipfel in Europa. Doch lassen sich gute Gründe für eine synchrone Perspektive auf die Welt finden, aus der heraus den außereuropäischen Erdteilen sogar die größere Reverenz erwiesen wird. In bemerkenswertem Einklang mit der eben einsetzenden ‚anthropologischen Wende‘, wenn nicht sogar im Vorgriff darauf, steckt in Tiepolos Welt- und Menschheitsfresko weniger Abgrenzung von als vielmehr Zusammenhang mit dem Anderen, das in gewisser Weise sogar als das Eigene erkannt wird.
Damian Dombrowski ist Professor am Institut für Kunstgeschichte und Direktor der Neueren Abteilung des Martin von Wagner Museums der Universität Würzburg. Gastaufenthalte in Rom (Rudolf-Wittkower-Professur), Princeton (Member am Institute for Advanced Study) und Washington (Fellow am Smithsonian American Art Museum). Forschungsschwerpunkte auf den Bildkünsten der Renaissance und des Barock in Italien, der amerikanischen Malerei vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, der italienischen Moderne sowie in den letzten Jahren vor allem auf der Kunst Giambattista Tiepolos. Mitgründer und Vorstandsmitglied der „Rete dei Luoghi dei Tiepolo“. Zuletzt erschienen: Giambattista Tiepolo: Illusion und Irritation, Wiesbaden: Harrassowitz, 2024 (hrsg. mit Aylin Uluçam).
Teilnahme am Lektüreseminar nur nach Anmeldung: seminar@zikg.eu.
Das Seminar findet in deutscher Sprache statt.