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Current Research // Lektüreseminar am ZI mit Sandra Neugärtner: Im Betrieb: Subordination nach der Abstraktion

Termindetails

Wann

16.07.2025
von 14:00 bis 16:00

Art

Sonstiges

Wo

Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Katharina-von-Bora-Str. 10, 80333 München, Raum 110, I. OG

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Das Lektüreseminar diskutiert jüngst publizierte Arbeiten oder aber weitgehend abgeschlossene Manuskripte. Die Texte werden im Voraus an die Teilnehmenden verschickt und dann gemeinsam mit den Autorinnen und Autoren diskutiert.

 

Der Übergang der Industrie- zur Informationsgesellschaft bedingte einen fundamentalen Wandel der Kunstproduktion: Mit der Trennung von intellektueller und umsetzender Arbeit und der Aufwertung ersterer kristallisierten sich neue Tätigkeitsfelder in Organisation und Verwaltung heraus. Sie forcierten eine Verlagerung vom greifbaren Material hin zu abstrakten organisatorischen Strukturen – von der Werkstatt zum ‚Betrieb‘. Die der Kunstproduktion oktroyierten Arbeitsparadigmen etablierten eine operative Logik, in der menschliche Autorität zunehmend einer algorithmischen Kontrolle weicht. Ausgehend vom Spannungsfeld, in dem sich die Textilkünstlerin Léna Meyer-Bergner (1906–1981) als Gestalterin organisatorischer Strukturen und zugleich als deren Subjekt bewegte, analysiert der Beitrag die Entstehung einer neuen, prozessualen Subalternität und die damit erzwungene Neulegitimierung künstlerischer Arbeit. Die theoretische Folie hierfür bildet die kritische Anwendung von Carl Schmitts politischem Modell auf die Kunstgeschichte. Diese Methodik, die sich in das intellektuelle Bezugsfeld von Benjamin, Bredekamp und Koerner einordnet, gewinnt ihre besondere analytische Schärfe aus Schmitts Reflexionen über die Organisation der Arbeit im ‚Betrieb‘ – jenem soziotechnischen System, dessen scheinbar unpolitische Logik die Aushöhlung des auf Aushandlung basierenden Demokratiebegriffs bewirkt. Erörtert wird, wie sich Künstler:innen einem soziotechnischen Regime entgegenstellten, das menschliche Handlungsmacht durch das Diktat objektiver und vermeintlich alternativloser Prozesse zu substituieren begann, und wie sie sich der Degradierung zum bloßen exekutiven Organ des ‚Betriebs‘ widersetzten. Der Essay arbeitet die paradoxe Doppelrolle der angewandten Künste heraus. Einerseits fungierten sie als Wegbereiter für die Neuausrichtung der bildenden Kunst zur ‚Art of Administration‘ (Buchloh). Andererseits artikulierten sie gerade in ihrem eigenen Metier materielle Handlungsspielräume – als eine Art logistische Gegenbewegung zur operativen Logik der bürokratischen Verwaltung. Aus dieser Ambivalenz, so die Schlussthese, etablierte sich die Sprache als Grundlage jener neuen Hierarchie, die das Konzeptionelle unwiderruflich über das Materielle stellt.

Sandra Neugärtner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Leuphana Universität Lüneburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Analyse der komplexen Wechselwirkungen zwischen Kunst und Gesellschaft. In ihrem aktuellen DFG-Habilitationsprojekt (seit 2021) untersucht sie am Beispiel des Werks von Léna Meyer-Bergner, welche Bedeutung die Neuorganisation der Kunstproduktion für das Verhältnis von angewandter und bildender Kunst im frühen 20. Jahrhundert hatte. 2021 erschien ihre erste Monografie Statt Farbe: Licht. Das Fotogramm bei Moholy-Nagy als pädagogisches Medium. Sie ist Herausgeberin des Sammelbandes Institutional Criticism in Art Education from 1900 to Today (erscheint 2025), der erstmals eine umfassende Untersuchung der Institutionskritik an Kunsthochschulen vorlegt. Gastaufenthalte führten sie an die Harvard University (2017/18) und das Kunsthistorische Institut in Florenz – Max-Planck-Institut (2024/25). 

 

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Dieser Beitrag vereint Ergebnisse meines DFG-/Habilitationsprojekts „Léna Meyer-Bergners sozial-transformativer Moderne-Begriff in den globalen gesellschaftlichen Umbrüchen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“/„Angewandte und bildende Kunst in Spaltung und Verschränkung: Reorganisation der Kunstproduktion und Wertsetzungen in der Moderne am Beispiel von Léna Meyer-Bergner (1906–1981)“ sowie meines am Kunsthistorischen Institut in Florenz (KHI) – Max-Planck-Institut realisierten Forschungsprojekts „Künstlerische Praktiken der logistischen Inversionen“ (1.10.2024–31.3.2025) einschließlich des zugehörigen Vortrags „Small Formations: Lines and Alternating Knots as Logistic Inversions“ am 2.12.2024 im Palazzo Grifoni Budini Gattai, Florenz.

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Teilnahme am Lektüreseminar nur nach Anmeldung: seminar@zikg.eu
Das Seminar findet in deutscher Sprache statt.

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