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Maria Bremer // Nichtlineare Historiographie. Zeitordnungen in Künstlerinnenausstellungen

Bis heute sind Kunstwerke vorwiegend in Form von temporär ausgestellten Konstellationen zugänglich, die die Möglichkeit unserer Erfahrung von Kunst bedingen. Entsprechend interessiert sich die Kunstgeschichte für Ausstellungen als Vermittlungsplattformen von Kunstwerken und -tendenzen. Während sich ausstellungshistorische Untersuchungen zumeist auf die Geschichte ausgestellter Kunst konzentrieren eröffnet dieses Projekt eine neue Forschungsperspektive, indem es den historiographischen Einsatz des Ausstellungsformats fokussiert und als Thema der Kunstgeschichte setzt.

Während des Aufenthalts am ZI ist eine Zuspitzung der Fragestellung anhand selbstorganisierter Ausstellungen von Künstlerinnen geplant. In der Moderne und Gegenwart ermöglichten es temporäre Kunstpräsentationen den verantwortlichen Künstlerinnen, sich öffentlichkeitswirksam zum Kunstfeld und zur Kunstgeschichte zu positionieren. Weil tradierte Geschlechterasymmetrien die Einschreibung in überlieferte Narrationen erschwerten, wurden selbstorganisierte Schauzusammenhänge – etwa im Fall umfangreicher Gruppenausstellungen von Künstlerinnen um die Jahrhundertwende – zunächst als historiographisches Korrektiv eingesetzt, das den kunsthistorischen Kanon erweitern sollte. Insbesondere ausgehend von der Nachkriegszeit nutzten Künstlerinnenkollektive Ausstellungen zudem gezielt dazu, die Fundamente des Kanons selbst zu hinterfragen. Die expositorischen Setzungen entlarvten über die kunsthistorische Erzählung hinaus, auch die dahinterliegende Vorstellung progressiver geschichtlicher Zeitlichkeit als arbiträr. Anstatt linearer Anordnungen kamen Genealogien, Wiederholungen, und Nebeneinanderstellungen zum Tragen.

Die Untersuchung selbstorganisierter Ausstellungen von Künstlerinnen, die lineare Modelle geschichtlicher Zeitlichkeit unterlaufen soll es nicht nur ermöglichen, eine gewisse Distanz zu bereits kanonisierten Erzählungen der Ausstellungsgeschichte der Moderne und der Gegenwart einzunehmen. Indem das Projekt die Unterwanderung eines konventionellen Modells linearer Progression fokussiert, verfolgt es darüber hinaus auch eine theoretische Zielsetzung: die Kunstausstellung als ein besonderes historiographisches Format zu analysieren. So wird ein neuer Zugang zur Geschichte und Theorie der Kunstausstellung eröffnet und der Gegenstandsbereich kunsthistorischer Reflexion geschichtlicher Zeitlichkeit erweitert.

[Abbildung: Ausstellungseröffnung der Cooperativa Beato Angelico, 08.04.1976, Rom (Foto: Alfio di Bella / Archivia, Casa Internazionale delle Donne, Rom)]

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