Mirjana Mitrović // Hybride Welten: Flânieren zwischen analogen und digitalen Realitäten (Arbeitstitel)
Digitale Technologien haben den Alltag in Städten stark verändert. Analoge und digitale Räume sind eng miteinander verwoben, die Übergänge zwischen sogenannten realen und virtuellen
Welten sind fließend. Stattdessen ist ein hybrider Raum entstanden, der von Mobilität und permanenter Vernetzung geprägt ist. Um einen Beitrag zum Verständnis alltäglicher Lebenswelten
in Städten zu leisten und damit die Partizipation an aktuellen und zukünftigen technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu stärken, ist es das Ziel dieses Dissertationsprojektes, den
aktuellen Raum besser (be)greifbar zu machen. Dazu werden in einem ersten Schritt Hybriditätskonzepte wie der third space (Bhabha), die Cyborg (Haraway), die Mestiza (Anzaldúa)
und der glitch (Russel) genutzt, um binäre Vorstellungen von dem was analog oder digital, „real“ oder virtuell, technisch oder menschlich ist, aufzubrechen. Dies ermöglicht einen komplexeren Blick auf die Bedeutung und die Auswirkungen von Digialisierungsprozesse in städtischen Alltagspraktiken. In einem zweiten Schritt wird die Flânerie genutzt, um diesen theoretisch beschriebenen hybriden Raum zu untersuchen. Zunächst wird die ursprüngliche Figur des flâneurs, der im 19. und 20. Jahrhundert durch europäische Städte streift, basierend auf Walter Benjamins Forschung vom Dandy zum Promeneur zum Flâneur untersucht und einige Merkmale, wie das einsame, langsame und ziellose Gehen, herausgearbeitet. Anschließend wird sie im Vergleich zu anderen Methoden wie dérive oder der Promenadologie abgegrenzt und durch queere, feministische und postkoloniale Perspektiven hinterfragt und aktualisiert. Im Rahmen von Seminaren an der Universität der Künste Berlin und Workshops für Frauen* in Mexiko-Stadt und Berlin wurde die Flânerie in der Theorie diskutiert und zugleich in der Praxis angewandt. Einige Teilnehmer*innen und weitere Künstler*innen, die über einen öffentlichen Open Call eingeladen wurden, präsentierten ihre Ergebnisse und künstlerischen Positionen in der Ausstellung Third Space Walk. Flâneuses* between virtual and material urban spaces im August 2022 in Berlin. Die Analyse der Seminare und Workshops, der kollektiven Kuration und der künstlerischen Positionen in der Ausstellung zeigt auf, wie flânerie heute kritisch in der Wissenschaft eingesetzt werden kann. Zugleich wird anhand einiger Schwerpunkte, wie der Bedeutung des Blicks, des Spiels und des Widerstands deutlich wie beim flanieren der hybride Raum zwischen analogen und digitalen Realitäten sichtbar und somit nicht nur (be)greifbar) sondern auch gestaltbar wird.
[Abbildung: Eröffnung der Ausstellung Third Space Walk. Flâneuses* between virtual and material urban spaces im August 2022 in der Galerie im Medienhaus in der Universität der Künste
Berlin. (Foto: Jan-Holger Hennies)]