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Ausstellungen polnischer Gegenwartskunst in der Bundesrepublik Deutschland 1956-1970. Konstellationen, Intentionen, Rezeption

Lange bevor die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik Polen Anfang der 1970er Jahre diplomatische Beziehungen aufnahmen, florierten auf inoffizieller Ebene die kulturellen und zivilgesellschaftlichen Kontakte zwischen den beiden Ländern. Ausstellungskooperationen bildeten einen wesentlichen Bestandteil. Auf der Grundlage umfassender Quellenrecherchen werden sie im Rahmen des Projekts erstmals systematisch rekonstruiert und im zeithistorischen Kontext analysiert. Eine gravierende Lücke in den Forschungen zu Ost-West-Beziehungen der Nachkriegszeit wird damit geschlossen.

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Das Vorhaben untersucht erstmals systematisch und umfassend Ausstellungen polnischer Gegenwartskunst in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1956 („Polnischer Oktober“) und 1970 (Warschauer Vertrag). Anhand ausgewählter Fallbeispiele und auf der Grundlage bislang unberücksichtigter polnischer und deutscher Quellen werden zum einen die Genese der Ausstellungen, ihre Hintergründe und Zielsetzungen rekonstruiert, zum anderen ihre Rezeption in den bundesdeutschen Medien analysiert.

Als Teil der sogenannten „polnischen Welle“ leisteten die über 100 Ausstellungen polnischer Gegenwartskunst, die zwischen 1956 und 1070 im gesamten Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) stattfanden, einen wesentlichen Beitrag zum bundesdeutschen Kulturgeschehen und zum polnisch-westdeutschen Kulturaustausch in Zeiten des Kalten Krieges. Sie verdankten sich nicht zuletzt einer spezifischen Konstellation innerhalb der Ost-West-Beziehungen: zum einen dem kulturellen Tauwetter in Polen, das Sympathien und Neugier auf der anderen Seite des „Eisernen Vorhangs“ nährte; zum anderen dem besonderen polnisch-westdeutschen Verhältnis, das wie kaum ein anderes in Europa durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen moralisch und politisch belastet war. Versöhnungs- und Annäherungsbestrebungen, aber auch Oppositionshaltung gegenüber der Bonner Polen-Politik waren auf deutscher Seite ein wichtiger Motor hinter den Ausstellungsinitiativen.

Zeitgleich avancierte die zeitgenössische polnische Abstraktion zum argumentativen Spielball in den programmatischen, ideologisch aufgeladenen Kontroversen um die „Weltsprache Abstraktion“ innerhalb der Bundesrepublik. Gerade weil sie die gängige Dichotomie „Sozialistischer Realismus im Osten – Abstraktion im Westen“ unterlief, bot sie sich als Projektionsfläche an. Abstrakte Kunst aus Polen fungierte damit als maßgebliche Bezugsgröße in einem der prägendsten und kunsthistorisch bedeutsamsten Kunstdiskurse der Nachkriegszeit. Das Vorhaben analysiert dies erstmals und bietet damit wichtige neue Erkenntnisse zum Politikum ‚abstrakte Kunst‘ jenseits der üblichen West-Ost-Schemata.

Die politischen Implikationen der Ausstellungen, deren komplexe Wechselbeziehungen mit dem zeithistorischen Kontext und ihre Funktion in westdeutschen Kunstdiskursen herauszuarbeiten, bildet ein zentrales Ziel des Vorhabens. Unter methodischem Rückgriff auf Verflechtungsgeschichte und Konstellationsforschung liegt besonderes Augenmerk auf den beteiligten Akteuren, ihren Netzwerken und sozialen und intellektuellen Milieus, sowie den Motiven und Interessen, die hinter den Ausstellungen standen. Insbesondere ist zu fragen, inwiefern die Ausstellungen bei Organisatoren wie Rezipienten für jeweils eigene programmatische Zwecke (politische, moralische, weltanschauliche, ästhetische) vereinnahmt und instrumentalisiert wurden.

Das Vorhaben erschließt nicht nur eines der fruchtbarsten, aber weitgehend in Vergessenheit geratenen Kapitel polnisch-westdeutscher Beziehungsgeschichte; es wirft auch neues Licht auf die Frage nach den Verflechtungen von Kunst und Politik in der Zeit des Kalten Krieges.

Förderzeitraum / Projektdauer
1. Januar 2016 bis 31. Januar 2019

Beteiligte Institutionen
Zentralinstitut für Kunstgeschichte

Förderer
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Team