Benutzerspezifische Werkzeuge

Sie sind hier: Startseite / Mitarbeitende und Fellows / Bettina Nagler, M.A.

Bettina Nagler, M.A.

Theodor-Fischer-Sonderpreis 2024 | September – Oktober 2024



Gruppe/n: Preistragende

Vita

Bettina Nagler arbeitet im Bereich Architektur. Sie hat einen Master-Abschluss in Design Studies der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (2024). Zuvor studierte sie Architektur in Leipzig und San Sebastián mit einem Bachelor-Abschluss im Jahr 2019. 2020 arbeitete sie bei AFF-Architekten in Berlin und arbeitet seitdem an der Entwicklung von städtebaulichen Konzepten für private Projektentwickler sowie an soziokulturellen Projekten in Leipzig. Bettinas Artikel wurden unter anderem im Oase Journal und im Magazin Horizonte veröffentlicht. Von 2021 bis 2022 war sie Mitglied des Redaktion des Neuwerk Magazins, das sowohl für den Preis „Schönste Deutsche Bücher“ der Stiftung Buchkunst und den „Walter-Tiemann-Preis“ nominiert wurde. Im Jahr 2024 hatte sie eine Lehrtätigkeit an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Zusammen mit dem Grafikdesigner Elias Erkan gründete sie die Forschungs- und Designpraxis „Freibank“. Ihre Arbeit wurde auf der VI International Conference on ­Architecture and Gender in Valencia (2023) und auf dem Symposium (Re)searching Urbanity an der Floating University Berlin (2023) präsentiert, sowie bei anderen Veranstaltungen.

//

Bettina Nagler works in architecture. She holds a Master’s Degree in Design Studies from Burg Giebichenstein University of Art and Design (2024). Previously, she studied Architecture in Leipzig and San Sebastián, earning a Bachelor’s degree in Architecture (2019). In 2020 she trained at AFF-Architekten, Berlin, since then she has collaborated in urban design concepts for private developers as well as in sociocultural projects in Leipzig. Bettina’s writing has appeared in Oase Journal, Horizonte, among others. From 2021 to 2022 she was editorial board member of Neuwerk Magazine which was short-listed for “Schönste Deutsche Bücher” and  “Walter-Tiemann-Prize”. 2024 she taught at Burg Giebichenstein University of Art and Design. Together with graphic designer Elias Erkan, she co-founded the research and design practice “Freibank.” Their work has been presented at the VI International Conference on ­Architecture and Gender in Valencia (2023) and at the Symposium (Re)searching ­Urbanity at Floating University Berlin (2023), amidst other participations.

 

____________

Bettina Nagler über ihre mit dem Theodor-Fischer-Sonderpreis 2024 prämierte Masterarbeit „Form wie Fauxpas – der Einfluss der Frauenbewegung auf die Architekturproduktion der IBA 87 Berlin am Beispiel des Frauenstadtteilzentrums Schokofabrik und des IBA-Blocks 2 Emanzipatorisches Wohnen"

1981, als Reaktion darauf, dass zu den „Expertenhearings“ der Internationalen Bauausstellung 1987 in West-Berlin keine Frauen als Expertinnen geladen wurden, besetzten frauenbewegte Architektinnen und Sozialplanerinnen in der Pause die Sitzplätze der geladenen männlichen Experten und störten den Verlauf der Anhörung mit eigenen Vorträgen zu frauenpolitischer Stadtplanung. Später bezeichneten sie ihren „Einbruch in die Männerwelt des Bauens“ (FOPA 1986, o.S.) als Fauxpas und gründeten in Anlehnung an das Wort die erste Feministische Organisation von Planerinnen und Architektinnen – kurz FOPA.
Ausgangspunkt für meine Arbeit war die Beobachtung, dass in heutigen Architekturdiskursen die IBA 87 als Beispiel einer gelungenen Umsetzung urbaner Nachhaltigkeitskonzepte, wie Regenwasserbewirtschaftung, oder partizipativer Gestaltungsprozessen herangezogen wird, jedoch diese Errungenschaften kaum im Zusammenhang der synchron verlaufenden Frauenbewegung betrachtet werden. Denn während um 1977/78 die Frauenbewegung immer stärker die gebaute Umwelt kritisch adressierte, weist die fast zeitgleich vom Berliner Senat beschlossene Ausrichtung der IBA – nämlich einen sorgsamen Umgang mit der urbanen Substanz auf der Grundlage der „Reflexion gesellschaftlicher Veränderungen“ und dem „Bewußtsein um die Grenzen des Wachstums“ (Hartmann, Kristiana: Zwei Bilder einer Ausstellung, in: Baumeister, 9/1984, 81. Jg., S. 26) – inhaltliche Überschneidungen zu frauenbewegten Positionen auf.
Altes Foto: Junge Frau sitzt auf einem Dach und hämmert Schindeln festIm Zentrum der Arbeit steht daher die Aufarbeitung des bislang kaum untersuchten Einflusses der West-Berliner Frauenbewegung auf die IBA 87 und wie jene Diskurse in Architekturprojekten Gestalt annahmen. Anhand der Entstehungsgeschichte von zwei Fallstudien – dem Frauenstadtteilzentrum Schokofabrik für die IBA-Alt und dem IBA-Block 2 Emanzipatorisches Wohnen für die IBA-Neu – wird eine spannende Geschichte gegenseitiger Einflussnahmen zwischen den Akteurinnen der Frauenbewegung und den Verantwortlichen der IBA 87 erzählt.
Der Titel meiner Arbeit Form wie Fauxpas geht dem programmatischen Protest nach, welcher durch das unbequeme Einmischen der Frauen in einer zeitspezifischen feministischen Gestaltungspraxis resultierte: So verfolgten die Architektinnen, Stadt- und Sozialplanerinnen neben partizipativen Designstrategien (Betroffenenplanungen), Kritik an der Lehre in der Hochschule und kollektive Autor*innenschaft – damit auch die Kritik und Entmystifizierung der Rolle des Designer-Genies (es war zumeist ein er) – auch ein neues Verhältnis zur Umwelt und Natur. Die Analyse ihrer Forderungen legt somit Kontinuitäten zu zeitgenössischen Design-Diskursen frei – insbesondere die Frage nach alternativen Wissensproduktionen, Stadtökologie oder das Verständnis des/der Architekt*in – und zeigt, wie deren Aufarbeitung auch heutige gestalterische Ansätze inspirieren könnte.
[Abbildung: Beginn der Selbsthilfearbeiten auf dem Dach des Frauenstadtteilzentrums Schokofabrik, S.T.E.R.N. – Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung Berlin mbH/Frauenstadtteilzentrum Kreuzberg Schokoladenfabrik e.V. (Hg.): Ökologische Maßnahmen im Frauenstadtteilzentrum Schokoladenfabrik, Berlin 1988, S. 19]