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Dr. Konrad Krčal

Preisträger des Wolfgang-Ratjen-Preises 2022, August - Oktober 2022




Gruppe/n: Preistragende

Vita

  • 2021 | Abschluss des Promotionsstudiums. Titel der Dissertation: "Das französische Thesenblatt im 17. Jahrhundert. Drei Studien zur allegorischen Gattungsgenese"
  • Mai-Juli 2018 | Stipendium der Dr. Günther Findel-Stiftung, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
  • Februar–April 2018 | Forschungsstipendium, Deutsches Forum für Kunstgeschichte, Paris
  • Fortsetzung des Promotionsstudiums an der Universität Göttingen unter der Betreuung von Michael Thimann und Robert Felfe.
  • 2015-2017 | DOC-Stipendium der österreichischen Akademie der Wissenschaften
  • 2013-2017 | Promotionsstudium mit einem Dissertationsprojekt zu französischen Thesenblättern an der Universität Wien
  • 2012 | Erlangung des Magistergrades der Kunstgeschichte an der Universität Wien. Titel der Diplomarbeit: "Der Almanach als Propagandamedium. Studien zur Entstehung einer druckgrafischen Gattung im Frankreich des 17. Jahrhunderts"

Vorträge

  • 09.05.2017 | "Richelieu, Fortune de France. Zum Verhältnis von Imagination und Figuration" – Vortrag im Rahmen des "Colloque International Imagination, École de Printemps du Réseau International pour la Formation à la Recherche en Histoire de l’Art", Genf
  • 22.01.2016 | "Toujours Louis XIV. Comment un dessin de thèse devient almanach" – Vortrag im Rahmen einer Journée d'étude des Deutschen Forums für Kunstgeschichte anlässlich der Ausstellung "Images du grand siècle, l’estampe française au temps de Louis XIV" der Bibliothèque nationale de France, Paris
  • 22.06.2015 | "Thesenblätter und Gattungsbegriffe. Innovation und Kontinuität" – Vortrag im Rahmen des 16. Internationalen Barocksommerkurses der Bibliothek Werner Oechslin, Einsiedeln

Publikationen

  • London, 2014 | From thesis print to almanach, in: Print Quarterly, September 2014, pp. 319–321.
  • Wien, 2012 | Zur Frage der Etablierung und Bedeutung posthum vergebener Titel am Beispiel Giorgiones, in: Stefan Albl et al., Studierendengespräche I. 2010–2011. Vorträge aus drei Semestern, Online-Publikation, SS. 98–107.

[Stand April 2022]

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Konrad Krčal über seine mit dem Wolfgang-Ratjen-Preis 2022 prämierte Dissertation Das französische Thesenblatt im 17. Jahrhundert. Drei Studien zur allegorischen Gattungsgenese

Meine Dissertation vereint drei Objektstudien zu illustrierten Thesenblättern des 17. Jahrhunderts mit gattungstheoretischen Reflexionen. Im Zentrum der Theoriearbeit stehen Zitat und davon abgeleitet Gattungszitat, eine semiotische Instanz, die als Triebkraft von Gattungsgenese und -subversion identifiziert wird. Die fundamentale Ambivalenz von Zitaten bedingt produktions- und rezeptionsästhetische Erweiterungen kunsthistorischer Gattungstheorien. Als Vermittlungsinstanz historischer und atemporaler Barockkonzeptionen kann die von Walter Benjamin geprägte Figur des Allegorikers dienen. Sie steht an der Schnittstelle von Produktion (Schaffung neuer Allegorien) und Rezeption (allegorische Interpretation). Der Begriff allegorische Gattungsgenese verweist auf Konstellationen, in denen sich Gattungen gegenseitig zitieren, affizieren und variieren.
Während seines Romaufenthalts (1642-1645) entwarf der junge Charles LeBrun ein Thesenblatt zu Ehren Ludwigs XIV., der 1643 als Fünfjähriger den Thron bestiegen hatte. Die ca. 1653 von Gilles Rousselet gestochenen Druckplatten erfuhren 1659 und 1686 Überarbeitungen, die jeweils deren Gattungszugehörigkeit verschoben. Zugleich vollzieht sich in dieser Periode die Wandlung des royalen Mündels zur absolutistischen Fiktion Roi soleil. Ikonographische Vergleiche dieser Objekte offenbaren erstaunliche allegorische Re- und Entsignifikationen im Übergang von Repräsentationsstrategien und Gattungen.
Ein Kardinal Richelieu gewidmetes Thesenblatt, das 1640 von Gilles Rousselet nach einem Entwurf Claude Vignons gestochen wurde, beinhaltet einen in der Gattung wohl einzigartigen exegetischen Text. Dieser leistet einen Vorgriff auf jene Gelegenheitsdichtungen, die feierliche Disputationen im 17. Jahrhundert stets begleiteten. Meine Studie ist der „Rekonstruktion“ dieses Objekts in seinem Gebrauchskontext gewidmet. In der theoretischen Vorrede der Iconologia definiert Cesare Ripa ein semiotisches Ideal, das sich als höchst relevant für die Ziele allegorische Panegyrik erweist. Ripas sogenannte ultima differenza ist eine Zeichenutopie, in der Signifikat und Signifikant in eins fallen. Ich konnte zeigen, dass die Disputation als performative Erweiterung einer Bildargumentation dient, die das Versprechen auf Einlösung der ultima differenza unter Verweis auf die Unmöglichkeit der Repräsentation eines gottähnlichen Widmungsträgers fortwährend verschiebt und verzögert.
Zuletzt untersuche ich die Medialität illustrierten Thesenblätter anhand der künstlerischen Figur des Trompe-l’œils im Œuvre des bedeutenden Kupferstechers Claude Mellans. Die Untersuchung der Diskrepanz zwischen dem illusionistischen Anspruch des Trompe-l’œils und dessen druckgrafischer Limitation ermöglicht wichtige Erkenntnisse zur gattungsmäßigen Ab- und allegorischen Entgrenzung des Thesenblatts. Wenngleich Mellan sein Prestige im Spiel mit dem Medium geschickt zu steigern vermag, kann das Transzendenzversprechen der ultima differenza nicht als Augentäuschung eingelöst werden. Umso mehr entfaltet sich die barocke Dialektik von simulatio und dissimulatio auf sämtlichen Ebenen der Repräsentation.

[Abbildung: Gilles Rousselet nach Charles Le Brun, Triumph Ludwigs XIV., Zustandsdruck eines Thesenblattentwurfs, Kupferstich, ca. 848:500 mm, signiert, um 1653]