Dr. des. Katharina Rotté
Vita
Katharina Rotté ist Architekturhistorikerin. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Postdoc) an der Professur für Kunst- und Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit mit dem Schwerpunkt Italien der Freien Universität Berlin. Von 2019 bis 2023 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin des Graduiertenkollegs „Identität und Erbe“ in Weimar. Sie studierte in Tübingen, Rom, Bonn und Florenz Kunstgeschichte, Rhetorik, Internationale Literaturen und Renaissance-Studien. In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich mit dem zunehmenden Gebrauch des Natursteins Travertin im frühneuzeitlichen Bauwesen in Rom. Ihre Arbeit wurde unter anderem durch den DAAD, die Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, das Zentralinstitut für Kunstgeschichte München und die Bauhaus Research School gefördert. Ihr primäres Forschungsinteresse ist die Intersektion von Technik und Entwurf in der Architektur. Hierin verbindet sich ihr Dissertationsprojekt mit ihrem neuen Projekt zur industriell hergestellten Bauornamentik im 19. Jahrhundert und der ästhetischen Provokation, die diese darstellte.
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Dr. des. Katharina Rotté über ihre mit dem Theodor-Fischer-Preis 2025 ausgezeichnete Dissertation „Die Travertinisierung Roms 1466—1546“In meiner Arbeit habe ich die Verbreitung von Travertin als Werkstein im frühneuzeitlichen Rom untersucht. Dieses Kalksediment stammt aus dem Acque-Albule-Becken unterhalb des namensgebenden Tivoli – „Travertin“ ist eine Verballhornung von Lapis tiburtinus, also „Stein aus Tibur“, dem antiken Tivoli. Der Naturstein prägt noch heute die Morphologie Roms: von XXL-Strukturen wie dem Kolosseum, dem Petersdom und dem EUR-Viertel über verstreute Brunnen und barocke Kirchenfassaden bis hin zu städtebaulichen Gerüsten wie den Tiberuferbefestigungen, Bordsteinkanten und Treppenstufen. Das travertine Antlitz der Stadt Rom entstand in drei Schüben: in der Kaiserzeit, in der Frühen Neuzeit und während der Zeit des Faschismus. Im Mittelpunkt meiner Untersuchung stand der mittlere, frühneuzeitliche Aufschwung des Travertins. Dabei leitete mich die Frage, welche Prozesse dazu führten, dass Michelangelo 1546 als Baumeister von St. Peter den größten Kirchenbau der Welt ganz aus Travertin entwerfen konnte, nachdem erst achtzig Jahre zuvor im heute als Palazzetto Venezia bekannten Bau erstmals in der Nachantike große Mengen Travertin als Werkstein eingesetzt worden waren.
Die zunehmende Verwendung von Travertin habe ich aus epistemologischer, wirtschaftlicher, technischer, ästhetischer, ideengeschichtlicher und anthropologischer Perspektive erforscht. Zu diesem Zweck habe ich Archivquellen, philologische Quellen, Zeichnungen und nicht zuletzt die Bauwerke selbst in Fallstudien analysiert. Wichtige Ergebnisse meiner Arbeit beziehen sich beispielsweise auf das zunehmende petrologische Wissen über Travertin im Untersuchungszeitraum; Den Übergang von der Wiederverwendung von Travertinquadern kaiserzeitlicher Bauten hin zur Nutzung frisch gebrochener Blöcke aus den Steinbrüchen der Campagna Romana unter enormen logistischen Herausforderungen; Die Möglichkeiten der Ausrichtung von Travertin in Mauerwerken, die sich aus seiner charakteristischen Struktur in Schichten ergibt; Die Wandlung des Travertins von einem „Marmorsurrogat“ des 15. Jahrhunderts zu einem für seine spezifischen Qualitäten geschätzten Material; Und die vielfältigen Ideen, die sich mit Travertin verbanden, etwa als technische Herausforderung, als imperiales Baumaterial oder als Ausdruck von Fortschritt.
Eine zentrale Erkenntnis meiner Arbeit besteht darin, dass die beschriebenen Prozesse keineswegs synchron und in geradliniger Abfolge verliefen. Vielmehr drückten sich in ihnen historisch kontingente Wechselwirkungen und eine hybride Kultur aus: Es herrschte ein stetiges Wechselspiel von Travertin‑Angebot und ‑Nachfrage, ein ständiges Vor und Zurück. Diese Dynamiken führten jedoch dazu, dass sich die Verbreitung des Baumaterials Travertin seit Mitte des 16. Jahrhunderts deutlich beschleunigte.
[Abbildung: Detail des Palazzo Stati-Maccarani-di Brazzà in Rom: Nebeneinander von Bossen aus Travertin und Travertin-Imitation, Foto Katharina Rotté]