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Online-Workshop // Digital realities: political imagery and mediatized nature in times of Covid-19

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15.12.2021 um 15:00 bis
16.12.2021 um 18:00

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Seit dem Ausbruch der SARS-CoV-2-Pandemie hat sich das Öffentliche Leben zusehends in die digitale Welt verlagert, finden gemeinsame Ereignisse per Mausklick und geteilter Bildschirme online statt – mit voneinander isolierten, zu Hause an ihren Rechnern sitzenden Individuen.

So werden mit diesem Primat des Visuellen auch die damit verknüpften digitalen Bilder verstärkt zu Zeitdokumenten, die die Debatten und den Einsatz bildlicher Rhetorik spiegeln. Sie sind als visuelle Zeugnisse genauso ephemer wie vordem Plakate und Banner im Stadtraum, Protestschilder auf Demonstrationen und Alltagsvorschriften für öffentliche Plätze. Jedoch führt die durch den Virus verlangte Plötzlichkeit eines globalen Umschwungs zu neuen Typen von ephemeren Bildern: Karikaturen und Kinderzeichnungen des (unsichtbaren) Virus, Fotografien leerer Städte, vereinsamte Plätze öffentlichen Lebens, online gestellte Protestschilder digitaler Formen des Streiks und politische Selbstportraits aktivistischer Gruppierungen, Verhaltenscodices zu sanitären Maßnahmen, Diagramme zur täglichen Inzidenz- und Impfrate und Solidaritätsbekundungen.

Zwar wird auch hier die Mehrzahl dieser Bilder verschwinden, in Vergessenheit geraten und nur eine Auswahl im kollektiven Bewusstsein und Interesse bleiben. Und doch sind es gerade diese Bilder, die unsere spezifische Zeit prägen, Debatten lenken und mit sozialgesellschaftlichen, politischen und ökologischen Themen die öffentliche Meinung in entscheidenden Feldern bestimmen.
CfP Digitale RealitätenMuseen haben nach Ausbruch der Pandemie begonnen, entsprechende Bilddokumente und Objekte zu sammeln. Das finnische Nationalmuseum begann bereits Mitte März 2020 mit Interviews und Fotodokumentationen. Das Londoner Victoria & Albert Museum sammelt als „rapid response collecting” zeitgenössische Objekte der Coronakrise in digitaler Bildform. Auch KünstlerInnen haben auf diese Motive und deren Narrative reagiert.

Die aktuellen Formen von Internetbildern sind in ihrer Technik, Vermittlung und Rezeption neu und gleichzeitig Teil einer zunehmenden Entwicklung der Massenbilder seit dem Aufkommen der Moderne im 19. Jahrhundert. Von der Lithographie und dem Holzstich der Illustrierten Zeitungen über die Fotografie, den Film und das Fernsehen haben zunehmend ephemere Bilder die visuelle (Alltags-)Kultur bestimmt. Während im 19. Jahrhundert das gedruckte Zeitungsbild zu den maßgeblichen Formen öffentlichkeitswirksamer Ephemera zählte, Aby Warburg etwa 1914-18 internationale Tageszeitungen sammelte und auswertete, werden in Bibliotheken, Archiven und Datenbanken diese Formen temporärer Publikationen, Boulevardblätter und schriftlicher Pressezeugnisse schon lange als historische Dokumente aufbewahrt. Aktuell genießen online zirkulierende Bilder Hochkonjunktur. Sie werden millionenfach auf diversen Social-Media-Plattformen distribuiert, geliked, mit populären Hashtags verbunden und kommentiert, erzielen dadurch eine breite Sichtbarkeit. Häufig werden sie auch schnell wieder gelöscht, gesperrt und übersehen. Bildmotive und visuelle Strategien aus der Vergangenheit werden tradiert, approbiert und weiterentwickelt. Im Workshop sollen daher die Grundlagen der neuen Bildformen und deren Kontextualisierung in den Blick genommen werden.

Angesichts der heute vorherrschenden Digitalität der Bilder stellen sich umso dringlicher Fragen zur adressatenbezogenen Erreichbarkeit, Authentizität, algorithmisch bestimmten Filterung und technologischen Zugänglichkeit sowie nach Optionen, diesem ephemeren Charakter durch Speicherung entgegenzuwirken und deren Historizität zu dokumentieren. In unserer Realität der Algorithmen sind ebensolche Regimes normierter Sichtbarkeit gleichfalls kritisch zu befragen und die Bezüge zur Geschichte herzuleiten.

Folgende Fragen und Aspekte dienen zur Orientierung und stecken das zu diskutierende Themenfeld ab:Welche (neuen) Kategorien von ephemeren Bildern und Bildstereotypen gibt es, die eine Reflektion unserer pandemischen Realität erlauben, diese abbilden, kommentieren oder gar mitbestimmen? Welche Wirkmacht und zugleich Widerstandspotential ist ihnen inhärent und welchen Stellenwert nehmen sie in unserer bildaffinen Kultur ein? Wie ist das Verhältnis von Text und Bild jeweils zu beschreiben? Wer gehört zu den ProduzentInnen dieser Bilder und wie sind deren distributive Infrastrukturen zu analysieren?
Die globale Verbreitung verleiht ihnen oftmals Glaubwürdigkeit, ohne dass Strategien der Verifizierung Anwendung finden bzw. überhaupt vorhanden sind, um Desinformationen kritisch zu begegnen. Dieses (scheinbare) Versprechen der Bilder im Anthropozän belegt u.a. die im März 2020 viral gegangene Fotografie der in Venedigs Kanälen gesichteten Delphine als Zeichen einer Rückeroberung der durch den Menschen beherrschten Natur durch die Tierwelt, obwohl es sich hier nicht um Aufnahmen aus der Lagunenstadt handelte, wie eine Identifikation von Standbildern nachträglich ergab. Ein Pandemiejahr später und damit ein Jahr später mit deutlich gesunkenem Tourismus und Verkehrsaufkommen betitelten einige Zeitungen erneut die Sichtung von Delphinen in Venedig, nun durch mehrere Aufnahmen verifiziert. „False News“ und “Deep Fake” bestimmen angesichts weltweit um sich greifender Desinformationen und Verschwörungstheorien zunehmend unsere Gesellschaft – einem Phänomen, dem sich der Workshop gleichfalls widmen möchte.
Im Zentrum des Workshops stehen digitale Ephemera in Zeiten von Covid-19, insbesondere im Kontext aktueller politischer Krisen wie sozialer Brüche, der Pandemie und dem Klimawandel und deren Narrative, die von virtuellen Protesten über eine veränderte Naturwahrnehmung während der Pandemie und ihrer Unterbrechung des globalen Alltags bis zu Fragen der Desinformation reichen. Diskutiert werden soll die Entstehung einer zeitspezifischen politisch-ökologischen Ikonographie und welchen Einfluss diese auf die ubiquitäre Generierung und Distribution digitaler (Bewegt-)Bilder als Abbild und Stellvertreter der pandemischen Realität besitzt.

KONZEPTION: Steffen Haug (Bilderfahrzeuge, Warburg Institute London) und Ursula Ströbele (Studienzentrum zur Kunst der Moderne und Gegenwart, ZI München).

[Abbildung: Frankfurter Allgemeine, 22. März 2021, Onlinezugriff (19. Mai 2021)]

In Kooperation mit dem Projekt „Bilderfahrzeuge“ und dem Warburg Institute, London

Logo_Bilderfahrzeuge ____________

PROGRAMM

Mittwoch, 15. Dezember 2021

15:00–15:30 Uhr // Begrüßung und Einführung

15:30–16:00 Uhr
Burcu Dogramaci, München // Pandemische Kamera: Gefahr und Schutz im fotografischen Bild
16:00–16:30 Uhr
Karen Fromm, Hannover // Leeres Zentrum – periphere Bilder. Die visuelle Berichterstattung zur Coronapandemie

- Pause -

17:00–17:30 Uhr
David Kerr, Riga // Picturing the present: Immortal finitudes of the real and virtual

17:30–18:00 Uhr
Arianna Sforzini, Fribourg // Inoculation, Propagation, Contamination. Aesthetics of Contagion

-  Pause  -

18:30 Uhr
Artist Talk // Alfredo Jaar (New York): „Between the Heavens and Me“. Artistic Practice in Times of Covid-19
A conversation with the artist by Ursula Ströbele and Steffen Haug

Donnerstag, 16. Dezember 2021

15:00–15:30 Uhr
Heather Shirey, St. Paul, MN // Political Graffiti and Street Art in the Context of Covid-19

15:30–16:00 Uhr
Brendan Cormier, London // Pandemic Objects

-  Pause  -

16:30–17:00 Uhr
Charlotte Reuß, Wien // 1/10 Slides: Information Sharing auf Instagram während Covid-19

17:00–17:30 Uhr
Jeffrey Lin, London // War of truth and accountability: the political propaganda on CCP virus from/in Hong Kong

17:30-18:00 Uhr // Final Discussion

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Since the outbreak of the Covid pandemic, public life has increasingly shifted to the digital realm, with events taking place online and on shared screens - with individuals isolated from each other, sitting at home at their computers.

With this primacy of the visual, the associated digital images are increasingly becoming contemporary documents that reflect the debates and the use of pictorial rhetoric.  As visual records, they are just as ephemeral as posters and banners in urban spaces, protest signs at demonstrations and the ubiquitous social distancing notices. However, the suddenness of this global shift brought on by the virus has led to new types of ephemeral images: Cartoons and children's drawings of the (invisible) virus, photographs of empty cities, lonely squares devoid of public life, protest signs posted online as digital forms of strike and political self-portraits of activist groups, charts of daily cases and vaccination rates and expressions of solidarity.

Though here, too, the majority of these images will disappear, be forgotten and only a selection will remain in the collective consciousness and interest. And yet it is precisely these images that shape our specific era, steer debates and determine public opinion in crucial fields with socio-social, political and ecological issues.

Museums have started to collect relevant visual documents and objects following the outbreak of the pandemic. The Finnish National Museum began with interviews and photo documentation as early as mid-March 2020. Soon after, London's Victoria & Albert Museum chose contemporary objects from the Corona Crisis in digital image form as "rapid response collecting". Artists too have reflected these motifs and their narratives.

The current online images are new in their technology, mediation and reception and at the same time are part of an increasing development of mass images since the emergence of modernity in the 19th century. From lithography and engravings used in illustrated newspapers to photography, film and television, ephemeral images have increasingly determined our everyday visual culture. With the printed newspaper image as one of the most authoritative forms of public ephemera in the 19th century, Aby Warburg collected and evaluated international dailies in about 1914-18. Libraries, archives and databases have long preserved these forms of temporary publications, magazines and written press testimonies as historical documents. Now, images circulating online, are distributed by the millions on various social media platforms, liked, linked with popular hashtags and commented on, thus achieving broad visibility. Often they are quickly deleted again, blocked and overlooked. Image motifs and visual strategies from the past are handed down, appropriated and further developed. The workshop will therefore focus on the characteristics of these new image forms and their contextualisation.

In view of the digital nature of images prevalent today, questions about the recipient-specific accessibility, authenticity, algorithmically determined filtering and technological availability as well as options for counteracting this ephemeral character through storage and documentation of their historicity are all the more urgent. In our reality of algorithms, the same regimes of standardised visibility must also be critically questioned and the references to history derived.

The following questions serve as orientation and define the thematic field to be discussed: Which (new) categories of ephemeral images and image stereotypes have emerged that allow a reflection of our pandemic reality, depict it, comment on it or even co-determine it? What is their inherent power of effect and at the same time their potential for resistance, and what status do they occupy in our image-oriented culture? How can the relationship between text and image be described? Who are the producers of these images and how can their distribution infrastructures be analysed?

Their global dissemination often lends them credibility, without strategies of verification being applied or even existing to critically counter disinformation. This (apparent) promise of images in the Anthropocene is evidenced, among other things, by the photograph of dolphins sighted in Venice's canals that went viral as a sign of a reconquest by animals of nature and spaces dominated by humans in March 2020, although these photographs were not taken in the lagoon, as an identification of still images subsequently revealed. One pandemic year, and thus one year with significantly reduced tourism and traffic later, the news again featured headlines on dolphins seen in Venice, this time verified by several photographs. In view of the worldwide spread of disinformation and conspiracy theories, "false news" and "deep fakes" increasingly determine our society - a phenomenon that the workshop would also like to address.

The focus will be on digital ephemera in times of Covid-19, as several current political crises such as the pandemic, social fractures, and climate change, along with its narratives, collide here. These range from virtual protests to a changed perception of nature and the pandemic’s disruption of global everyday life to questions of disinformation. Using concrete examples of images, we will discuss the emergence of a time-specific political-ecological iconography and what influence this has on the ubiquitous generation and distribution of digital (moving) images as images and representatives of pandemic reality.

CONZEPT: Steffen Haug (Bilderfahrzeuge, Warburg Institute London) and Ursula Ströbele (Study Center for Modern and Contemporary Art, ZI München).

[Caption: Frankfurter Allgemeine, 22  March 2021, online access (19 May 2021)

 

In Cooperation with: Researchproject ‘Bilderfahrzeuge’ and the Warburg Institute, London

Logo_Bilderfahrzeuge

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TEILNAHME/PARTICIPATION:

Der Workshop wird via Zoom übertragen. Dem Zoom-Meeting können Sie unter folgendem Link beitreten: https://us02web.zoom.us/j/85659345839?pwd=UmFZYU0xN1NxMGJ1MjlQM054NXgvZz09. Meeting-ID: 856 5934 5839 | Passwort: 148258. / The workshop will as well take place via Zoom. You can join the Zoom meeting at the following link: https://us02web.zoom.us/j/85659345839?pwd=UmFZYU0xN1NxMGJ1MjlQM054NXgvZz09. Meeting-ID: 856 5934 5839 | Password: 148258.