Madeleine Schneider // NS-Provenienzforschung im italienischen Kontext: Objekte, Akteur:innen, Strukturen
Für die Bewertung von NS-Raubgut sind die länderspezifischen historischen und rechtlichen Umstände ausschlaggebend. So ist das wechselvolle Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und dem faschistischen Italien – von Verbündeten zu Kriegsgegnern – hinsichtlich des allgemeinen und NS-spezifischen Kulturgütertransfers von besonderem Erkenntnisinteresse. Denn Italien nimmt als „Achsenmacht“ sowohl beim kulturpolitischen Austausch mit dem Deutschen Reich generell als auch speziell bei der Frage nach Kooperation und Kollaboration bei der Überwachung oder Umgehungen der Bedingungen für Akquise und Ausfuhr von Kulturgütern eine Sonderrolle ein. Darüber hinaus stellt die Sonderrolle Italiens unter den besetzten Gebieten aufgrund der bereits vor der Besatzung eingeführten antisemitischen Gesetzgebungen („leggi razziali“) und deren Auswirkungen auf den Kunstmarkt ein dringendes Forschungsdesiderat dar.
Es gilt, die signifikanten Wissenslücken zu den in Italien agierenden Akteur:innen und bestehenden Strukturen grundlegend zu erforschen, insbesondere zum Kunstmarkt der 1930er und 1940er Jahre. Einzelne Objektwege können durch die Offenlegung konkreter transnationaler Transportwege, Verlagerungsmotive und -umstände entscheidend zur Rekonstruktion italienspezifischer Provenienzschritte beitragen.
München kann als ein Knotenpunkt des Kulturgütertransfers aus dem faschistischen Italien ins Deutsche Reich identifiziert werden. Im Mittelpunkt des Fellowships steht daher neben dem wissenschaftlichen Austausch und der Weiterentwicklung des Dissertationsvorhabens die Quellenrecherche vor Ort.
[Caption: Archivarbeit im Fokus: Die Recherche in italienischen Archiven eröffnet neue Perspektiven für die NS-Provenienzforschung, Foto: Madeleine Schneider.]