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Christine Ungruh // Palast und Palastkultur im mediterranen Mittelalter

Projektbeschreibung

Obwohl Karl Swoboda vor bereits über 90 Jahren mit seiner Studie „Römische und romanische Paläste“ einen paradigmatischen Typus des Profanbaus als Forschungsaufgabe ins Blickfeld der Kunstgeschichte gerückt hat, bleibt er mit seinem Versuch, eine ganze Monumentengattung systematisch oder wenigstens überblicksartig zu bearbeiten, seltsam isoliert und ohne Nachfolge. Gleichzeitig haben dagegen Spezialuntersuchungen zu einzelnen Monumenten oder Monumentengruppen bis heute die Materialmenge erheblich erhöht, wobei das Interesse der Forschung zunehmend über bloße typologische oder formanalytische Fragestellungen im Sinne Swobodas hinausgeht und nun auch Fragen nach Bedeutung, Wirkung oder Funktion der untersuchten Monumente eine zentrale Rolle einnehmen.

Eine systematische Vernetzung der jeweils bearbeiteten Bauten über größere zeitliche oder geographische Räume hinweg scheint dabei allerdings vernachlässigt zu werden. So stützen sich Überlegungen zur Kontinuität der Palastarchitektur von der ausgehenden Antike bis in das Hochmittelalter vielfach nach wie vor auf den Materialkatalog Swobodas und es wird bei den in diesem Zusammenhang aufgestellten Thesen weiterhin auf dessen Erkenntnisse verwiesen. Andererseits haben sich im Laufe der Forschungsgeschichte eine Reihe von Grundannahmen behauptet, die immer wieder aktualisiert werden, ohne jeweils auf der Grundlage des neu verfügbaren Materials oder zeitgemäßer methodischer Ansätze auf ihre Gültigkeit überprüft zu werden. Dies wird deutlich, wenn mit Schlagworten wie „antik“, „byzantinisch“ oder „islamisch“ operiert wird, ohne diese Terminologie kritisch zu hinterfragen.

Eine derartige monokausale Argumentationsstrategie greift zu kurz, um das Entstehen der unvergleichlich ambitiösen Architektur sowie der nicht von den gebauten Werken zu trennenden Palastkultur zu erklären. Gerade der Palastkultur im Mittelmeerraum kommt insofern eine paradigmatische Valenz zu, als dass ausgeprägte Kontinuitäten ausgehend vom gemeinsamen klassischen Erbe über alle historischen Verwerfungen hinweg das gesamte Mittelalter über deutlich sichtbar bleiben, zudem ein überaus dichter Bestand an Monumenten zur Verfügung steht und schließlich eine ausgezeichnete Quellenlage eine solide Materialbasis für eine Untersuchung des Bautypus ’Palast’ bildet. Hinzu kommt, dass durch die Funktion des Mittelmeeres als Schnittstelle unterschiedlicher ethnischer und kultureller Sphären sowie politischer und wirtschaftlicher Interessen das jeweilige konkrete Objekt innerhalb eines zusammenhängenden geographischen Raumes aus der Perspektive des „Anderen“ bzw. „Fremden“ gespiegelt werden kann, um so möglicherweise eine ganz neue Aussagefähigkeit zu bekommen. Die Profanarchitektur bietet hierfür den einzigartigen Vorteil, dass ihre Formen und Funktionen über religiöse Grenzen hinweg universalisierbar sind: Nur hier kann gezeigt werden, inwieweit die teilhabenden Gesellschaften auf einen gemeinsamen Formen- oder Zeichenvorrat zurückgreifen und sich ein gemeinsames Erbe teilen. Die Kohäsion des einheitlich erfahrbaren Kulturraumes und zugleich akzeptierten zeitlichen und räumlichen Referenzsystems ergibt sich allererst aufgrund dieser Faktoren.

Die Untersuchung beschäftigt sich sowohl mit dem Bestand an erhaltenen Monumenten als auch mit dem zumindest archäologisch oder durch Text- oder Bildquellen fassbaren Corpus der Palastarchitektur im Mittelmeerraum. Der zeitliche Horizont bewegt sich zwischen der historischen Entwicklung der Region nach dem Zerfall des römischen Reiches als politischer Einheit und dem Zerbrechen der fragilen mediterranen koiné im 13. Jahrhundert. Ausgangspunkt der Studie bleibt das geographisch im Zentrum gelegene Normannenreich, dessen Monumente als Kern der zu untersuchenden Objekte nicht isoliert entstehen, sondern geradezu überdeutlich formal und funktional auf das architektonische Substrat der Region referieren. Angestrebt ist die Skizzierung eines Netzwerkes an Palastarchitektur und die Erstellung einer katalogartigen Übersicht der relevanten Bauten mit dem Ziel, einzelne Monumente kohärent in dieses Bezugssystem einordnen zu können, um die Interpretation konkreter Befunde auf eine stabile Grundlage zu stellen.

Kontakt

Prof. Dr. Iris Lauterbach

Team