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Luise Wangler // Rekonstruktion des Werks von Paul Gangolf (1879–1936)

Das Forschungsprojekt nimmt seinen Ausgang mit einem zunächst rätselhaften Zufallsfund fotografischer Aufnahmen von Gemälden und Zeichnungen des Künstlers Paul Gangolf in den Archiven des Centre Pompidou in Paris. Die Zuordnungsversuche zeigten, dass es sich bei diesen Werken um das bislang vollkommen unbekannte und verschollene malerische Œuvre des deutsch-jüdischen Avantgardeakteurs handelte. Der Verlust dieser Werke war jahrzehntelang unbemerkt geblieben. In Paris, seinem langjährigen Exil, hatte niemand nach Paul Gangolf geforscht und in Deutschland stand die Suche in ausländischen Sammlungen und Archiven noch aus.

Schwarzweißfoto eines gemalten MännerporträtsPaul Gangolf wurde 1879 unter dem Namen Paul Löwy in Königsberg geboren und war ab 1900 Teil der avantgardistischen Kreise um Else Lasker-Schüler in Berlin. Seine experimentellen Druckgrafiken und analytischen Großstadtstudien erschienen bei renommierten Verlagen und Galerien wie I. B. Neumann, Günther Franke, Malik und Euphorion. Einflussreiche Sammler und Kunstkritiker förderten seine Arbeit. Als Jude fühlte Gangolf sich Mitte der 1920er Jahre zunehmender Bedrohung ausgesetzt, verließ Deutschland und fand in Paris ein neues Wirkungsfeld. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Paul Gangolf zweimal verhaftet und in das Konzentrationslager Esterwegen deportiert. Zwar gelang ihm nach seiner ersten Haft die Flucht nach Paris und Lissabon, doch wurde er 1936 unter bisher unbekannten Zusammenhängen erneut festgenommen und unmittelbar nach seiner Internierung im KZ von der Lager-SS ermordet. Ein Jahr darauf wurden seine Arbeiten durch die Säuberungsaktion „Entartete Kunst“ aus den deutschen Museen wie dem Berliner Kupferstichkabinett oder dem Frankfurter Städel entfernt und größtenteils vernichtet.

Nach seiner Ermordung geriet Paul Gangolf weitestgehend in Vergessenheit und verschwand letztlich auch aufgrund der fehlenden Präsenz seiner Arbeiten aus dem kunsthistorischen Diskurs. Das Dissertationsvorhaben widmet sich der Identifikation der Werke von Paul Gangolf, die durch Verfolgung, Exil und Enteignung in alle Welt zerstreut und verloren gegangen sind, sowie der Erforschung ihrer Geschichten und Schicksale. Der Fall Paul Gangolf steht so für den Versuch, das Werk und die damit verbundene Lebensgeschichte eines in der aktuellen Kunstgeschichte „vergessenen“ Künstlers zu re-konstruieren und kunstwissenschaftlich zu erschließen.

[Bildunterschrift: Marc Vaux, Fotografie eines Werks von Paul Gangolf, Paris, undatiert, 18 x 24 cm, Glasplatte, Fonds Marc Vaux, Bibliothèque Kandinsky, MNAM/CCI, Centre Pompidou, Paris, Inv.-Nr.: MV 3702_4 © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Bibliothèque Kandinsky, Fonds Marc Vaux.]

 

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