Vortrag // Dominik Brabant, München: Genremalerei als Vorgeschichte der Soziologie? Überlegungen zur Neuperspektivierung von Gattungsgeschichte
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von 18:15 bis 20:00
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Die frühe Kunstgeschichtsschreibung seit dem 19. Jahrhundert schätzte Genreszenen vor allem wegen ihres vermeintlichen Realismus und der anekdotischen Schilderung von Alltagsszenen vergangener Epochen. Seit etwa den 1970er Jahren analysierten die Ikonographie und Ikonologie die Motive dieser Gattung im Sinne von verschlüsselten Botschaften, die häufig moralische Implikationen für das Publikum transportierten. Die Sozialgeschichte der Kunst dagegen sah in der Genremalerei vornehmlich einen bildgewordenen Gradmesser für übergreifende gesellschaftliche Entwicklungen.
Gegenwärtig stellt sich jedoch verstärkt die Frage, wie die Entstehung, Entwicklung und Entgrenzung dieser Bildgattung sowie des Gattungsgefüges insgesamt im Spannungsfeld von gattungspoetischen und gattungsexternen Faktoren verstanden werden könnte. Der Vortrag möchte am Beispiel einer Reihe von Genreszenen aus verschiedenen Jahrhunderten sowie den damit verknüpften kunsttheoretischen und -historischen Debatten den Vorschlag machen, Genremalerei als ein ‚Experimentalsystem‘ des vorsoziologischen Denkens zu verstehen. In diesem haben Künstler (und wenige Künstlerinnen) Potentiale ausgelotet, den Menschen als ein Wesen sichtbar werden zu lassen, das immer schon in sozialen Konstellationen und intersubjektiven Bezügen eingebunden ist. Vor diesem Hintergrund wäre die Genremalerei als eine gemalte Soziologie vor der Erfindung dieser Disziplin im 19. Jahrhundert zu begreifen.
[Abbildung: Gerard ter Borch, Der Besuch des Freiers (The Suitor’s Visit), um 1658, Öl auf Leinwand, 80 x 75 cm, Washington, National Gallery of Art, Andrew W. Mellon Collection, Wikimedia Commons >>]
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