Franziska Stephan // Deutsche illustrierte Losbuchhandschriften und Drucke des Mittelalters und der Frühen Neuzeit
Projektbeschreibung
Losbücher sind eine in sich geschlossene Methode der privaten Zukunftsvorhersage und in ihren deutschsprachigen Fassungen seit dem späten 13. Jahrhundert belegt. Sie bestehen aus einer Sammlung prosaischer oder metrischer Orakelsprüche, die Antwort auf eine ausgewählte Frage zu fundamentalen Themen wie Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit, Arbeit und Liebe geben und durch verschiedene Losverfahren ermittelt werden. Der Text-Bild-Apparat der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Losbücher zeichnet sich durch eine komplexe figurativ-diagrammatische Organisation aus, der neben einer rein deiktischen Qualität auch eine didaktische Funktion innewohnt. Mit dem aufkommenden Buchdruck und der damit verbundenen Verbreitung in breitere Gesellschaftsschichten geht die stärkere Variation von Konzeption und Anspruch dieses Genre der Mantik einher, das als widerrechtlicher Versuch der Einsichtnahme in den göttlichen Heilsplan und als dämonisch motivierte Magie von der Kirche diskreditiert wurde.
Das Projekt erschließt erstmalig einen in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kunstgeschichte kaum beachteten Quellenkomplex in seiner gesamten Überlieferungsbreite. Im Zentrum stehen die Kommunikationsstrategien und Funktionsmechanismen der Text-Bild-Struktur der Losbücher und deren Bedeutung für den im Buch fixierten Schicksalsweg. In der komparatistischen Analyse mit italienischen Losbüchern werden die Eigenheiten der deutschen Tradition herausgearbeitet.